Projekt „Rollbahn“

Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen!

Primo Levi

Am 6. Juli 2023 fand im Abendgymnasium Frankfurt die Abschlussveranstaltung des Projekts „Rollbahn“ statt. Die Studierenden der Geschichtskurse der Q2-Phase hatten sich im Vorfeld der Veranstaltung klassenübergreifend intensiv mit dem Themenfeld Zwangsarbeit im nationalsozialistischen Deutschland – insbesondere im Raum Frankfurt – auseinandergesetzt und dieses Thema auch aus erinnerungskultureller Perspektive beleuchtet. 

Studierende, Lehrerinnen und Lehrer diskutierten an dem Abend mit ihren Gästen zu Fragen über die Pädagogik der Gedenkstätten und des Films „Die Rollbahn“, auch zu Erfahrungen, wie v.a. junge Leute Gedenkstätten erfahren und bewerten. Im Mittelpunkt der Diskussion stand das Erkenntnisinteresse junger Leute an diesen Themen. 

Zum Abschluss der Veranstaltung zeigten Studierende des Abendgymnasiums in einem kurzen Gallery Walk, mit welchen Aspekten sie sich im Rahmen der Thematik „Zwangsarbeit“ beschäftigt hatten und stellten ihre Arbeitsergebnisse der Schulöffentlichkeit vor.

"Die Rollbahn"

„Die Rollbahn“ Dokumentarfilm (2004) von Malte Rauch und Eva Voosen

Der Film (90 Min.) rekonstruiert in einem ersten Handlungsstrang die Verhältnisse in dem ehemaligen KZ Mörfelden-Walldorf, in dem 1700 ungarische Jüdinnen 1944 aus Auschwitz untergebracht waren, um für die Firma Züblin betonierte Rollbahnen am  Flughafen Frankfurt zu bauen, alles unter menschenunwürdigen Verhältnissen. 

Der zweite Handlungsstrang des Films berichtet über die Aufarbeitung dieser Ereignisse durch zunächst drei Schüler Anfang der 80er Jahre. Die Schüler hatten im KZ Buchenwald eine Karte gesehen, auf der alle Konzentrations-Außenlager eingezeichnet waren und so auch Mörfelden-Walldorf. In Mörfelden-Walldorf wurde die Existenz dieses Lagers geleugnet (Bürger und Bürgermeister) und es dauerte noch lange, bis sich nach und nach Menschen fanden, die hier weiterforschten und sich dafür engagierten, dass eine Gedenkstätte errichtet wurde. 

Ein dritter Handlungsstrang beschäftigt sich mit der Begegnung einiger überlebender Frauen aus diesem Lager mit Vertretern der Stadt Mörfelden-Walldorf, die sie in Israel aufsuchten, mit Schülern und Schülerinnen der Bertha-von-Suttner-Schule, die sie in Ungarn besuchten. Die Frauen nahmen eine Einladung nach Frankfurt an, an der die Schülerinnen und Schüler, die Vertreter Mörfelden-Walldorfs, der Fraport und ein Vertreter der Firma Züblin teilnahmen.

Malte Rauch ist Publizist und Filmemacher, Eva Voosen ist Cutterin und Regisseurin

Geschichtsort Adlerwerke

Geschichtsort Adlerwerke: Fabrik, Zwangsarbeit, Konzentrationslager 

Der „Geschichtsort Adlerwerke: Fabrik, Zwangsarbeit, Konzentrationslager“ ist eine Gedenk- und Bildungsstätte, die schwerpunktmäßig zum KZ Katzbach in den Adlerwerken und Zwangsarbeit in Frankfurt arbeitet. Ziel ist es, Wissen über die Vergangenheit zu vermitteln und zum besseren Verständnis der Gegenwart und den heutigen Gefährdungen für Demokratie und Menschenrechten beizutragen. Der Geschichtsort Adlerwerke wird vom Studienkreis Deutscher Widerstand 1933–1945 e.V. betrieben. 

Thomas Altmeyer ist wissenschaftlicher Leiter des Studienkreis Deutscher Widerstand 1933–1945

 

Geschichtsort Adlerwerke

Kleyerstraße 17

60326 Frankfurt am Main 

Gedenk-  und Bildungsstätte Horváth-Zentrum

Horváth-Zentrum

Gedenk-  und Bildungsstätte in Mörfelden-Walldorf

Das Horváth-Zentrum – eröffnet im September 2016 – ist eine Gedenkstätte, in der an das Schicksal der 1700 Jüdinnen erinnert wird, die 1944 aus Auschwitz nach Walldorf gebracht wurden, um  im Auftrag der Firma Züblin für den Flughafen betonierte Rollbahnen zu bauen. 

Das Horvath-Zentrum ist ein verglaster Bau, in dessen Innerem Überreste des ehemaligen KZ-Außenlagers geschützt werden. Zahlreiche Info- und Gedenktafeln berichten von dem Leid, das die Häftlinge erfahren haben. 

Cornelia Rühlig ist die ehemalige Museumsleiterin und Vorsitzende der Margit-Horváth-Stiftung 

Madiha Rana und Lea Anthes sind Mitarbeiterinnen der Gedenkstätte

Margit-Horvath-Stiftung

Familie-Jürges-Weg 1

64546 Mörfelden-Walldorf

Pädagogisches Zentrum des Fritz-Bauer-Instituts

Pädagogisches Zentrum des Fritz-Bauer-Instituts

Das Pädagogische Zentrum des Fritz Bauer Instituts und des Jüdischen Museums Frankfurt verbindet die zwei Themenfelder jüdische Geschichte und Gegenwart sowie Geschichte und Nachgeschichte des Holocaust. 

Das Pädagogische Zentrum bietet Lehrerfortbildungen und Lehrveranstaltungen an der Goethe-Universität, Workshops und Studientage an Schulen und für Institutionen der Jugend- und Erwachsenenbildung, sowie Unterrichtsmaterialien und Beratung an. Begleitend zu den aktuellen Ausstellungen des Jüdischen Museums gibt es Fortbildungen mit Perspektiven für den Unterricht. 

Fabienne Diehl ist am Fritz-Bauer-Institut für Vermittlung & Transfer zuständig

Fritz-Bauer-Institut

Norbert-Wollheim-Platz 1 

60323 Frankfurt am Main

So kam es, dass ich mit ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern telefonierte

Ich heiße Shayan und bin Studierender der Klasse Q2a hier am Abendgymnasium.
Vor zwei Jahren habe ich vorübergehend (Mai bis Juli 2021) in einem Inbound Call Center* gearbeitet. Meine Aufgabe war es, Anrufe von französisch sprechenden Juden entgegenzunehmen, da ich fließend französisch spreche und daher gut kommunizieren konnte.

Das Call-Center war vermutlich von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ beauftragt worden, telefonische Nachfragen von ehemaligen Zwangsarbeitern entgegenzunehmen und zu bearbeiten bzw. weiterzuleiten. Diese ehemaligen Zwangsarbeiter hatten bereits einen Antrag auf Entschädigung für die Jahre, die sie in Deutschland oder in den von Deutschland besetzten Gebieten hatten kostenlos arbeiten müssen, gestellt und warteten nun auf eine finanzielle Ausgleichszahlung.

Der Kampf für Entschädigung war nach dem Zweiten Weltkrieg lang und zäh. Mit der Wiedervereinigung kam das Thema bei den internationalen Verhandlungen erneut auf die Agenda, und zehn Jahre später, im Jahr 2000, stand dann die Einigung auf Entschädigungszahlungen.

Die französisch sprechenden Juden, die ich in dem Call-Center zu betreuen hatte, waren ehemalige Zwangsarbeiter, die in den Jahren zwischen 1939 und 1945 als KZ-Häftlinge hatten arbeiten müssen. Sie riefen an, weil sie die Information hatten, dass sie unter dieser Nummer Fragen und Probleme besprechen konnten, die mit Entschädigungszahlungen zu dieser Zwangsarbeit zusammenhingen. Den Antrag als solchen hatten sie bereits gestellt, waren aber irritiert, weil sie schon so lange gewartet hatten, ohne dass eine Zahlung oder sonst eine Benachrichtigung gekommen war oder sie hatten ein weiteres Schreiben von der Stiftung erhalten, in dem sie aufgefordert wurden, weitere Unterlagen einzureichen. Oft wussten die Antragsteller nicht, was genau von ihnen verlangt wurde und deswegen riefen sie an. Sie beklagten sich, dass alles so unendlich lange dauerte – immerhin waren seit Kriegsende 76 Jahre vergangen – und sie befürchteten, gar nicht mehr zu leben, bis das Geld endlich käme. Oft überfordert von der bürokratischen Abwicklung des Antragverfahrens fragten sie mich nach Vielem, wie dies oder jenes zu verstehen sei.

Ich war von meinem Arbeitgeber mit den nötigsten Informationen versorgt worden und ich wusste im Großen und Ganzen, was ich den besorgten Anrufern sagen sollte. Erreichte mich ein Anruf, öffnete sich an meinem Computer sofort ein Fenster mit Informationen darüber, wie ich auf welche Fragen antworten sollte (auf
französisch). Manchmal dauerten solche Gespräche eine halbe Stunde, die Männer und Frauen waren froh, jemanden persönlich sprechen zu können, der versprach, Ihr Anliegen weiterzuleiten. Nach den Gesprächen musste ich in Kurzform eine Art Gesprächsprotokoll anlegen, aus dem hervorging, welche Probleme und Fragen die Antragsteller hatten. Ich bearbeitete alles so gewissenhaft wie möglich und war sehr betroffen von den Gesprächen. Nicht selten fragte ich mich, warum diese Menschen so lange hatten warten müssen, bis endlich eine kleine Entschädigungssumme geleistet wurde. Denn viel war es nicht, was die Frauen und Männer erwarten konnten: Die Entschädigungszahlungen waren nämlich so geregelt, dass nicht etwa eine bestimmte Summe als Ganzes, sondern alle 6 Monate lediglich ein Teilbetrag gezahlt wurde. Die Höhe solcher Einzelzahlungen lag bei 300 €.

 

* Mit Inbound wird in der Telefonie die Kommunikationsrichtung eines Anrufs beschrieben. Inbound steht dabei für eingehende Anrufe und meint, dass das Unternehmen vom Kunden kontaktiert bzw. angerufen wird.